Kategorien
Deutsch

EARN Meeting 2024 in Amsterdam

EARN Meeting 2024 in Amsterdam

Amsterdam,October 21, 2024

Nachdem wir bereits vor genau 10 Jahren zu Gast beim EARN Gründungsmitglied Damsté Advocaten in Enschede, Niederlande sein durften, waren wir mit unserem diesjährigen EARN Meeting vom 17.-19.10.2024 nunmehr zu Gast am neuen Amsterdamer Standort der zwischenzeitlich deutlich gewachsenen Partnerkanzlei Damsté in den Niederlanden.

Das jährliche Arbeitstreffen ist fester Bestandteil des engen europaweiten Netzwerk-Austausches, um sowohl aktuelle europäische Verordnungen und Richtlinien, relevante Entscheidungen des EUGH, aber auch um über nationale Entwicklungen in der Rechtsprechung und jüngst insbesondere auch in der Digitalisierung zu berichten und zu diskutieren.

Besonders intensiv wurde in diesem Jahr über den Gastbeitrag von Frank van’t Geloof über die praktische Auslegung von Verträgen auf Basis des Haviltex Standards im niederländische Recht diskutiert, Parallelen gezogen aber auch Abgrenzungen von den EARN Partnern vorgenommen.

Abgerundet wurde das allseits hoch gelobte EARN Treffen mit den traditionellen Bitterballen am Freitagnachmittag, innovativer niederländischer Küche und einer kurzweiligen Grachtenrundfahrt durch Amsterdam. Herzlichen Dank an Irith Hoffmann und ihr Team für dieses gelungene Meeting.

Wir freuen uns schon heute auf das Meeting in 2025, welches voraussichtlich im Portugal stattfinden wird.

Kategorien
Deutsch

Luxemburg : Eine neue Gesetzgebung zur Unternehmenssicherung und Insolvenz

Luxemburg : Eine neue Gesetzgebung zur Unternehmenssicherung und Insolvenz

Luxemburg, 27. August 2024

Da das alte Insolvenzgesetz in Luxemburg aus dem 20. Jahrhundert stammte, war es zwingend erforderlich, dieses an die moderne Wirtschaft anzupassen. Mit einem neuen Gesetz vom 7. August 2023 zur Unternehmenssicherung und zur Modernisierung des Insolvenzrechts, das die europäische Richtlinie 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen integriert, hat Luxemburg endlich den langen erwarteten Schritt getan, um seinen rechtlichen Rahmen für Insolvenzverfahren zu modernisieren.

Diese Reform, die am 1. November 2023 in Kraft trat, kommt zur rechten Zeit, um eine angemessene Antwort auf die in den letzten Jahren aufgetretenen wirtschaftlichen Herausforderungen zu bieten. Ziel ist es, die Verfahren zu beschleunigen, die Unternehmensrestrukturierung zu fördern und dabei die Liquidation zu vermeiden. Das neue Gesetz ermöglicht es nicht nur, die Gläubiger zu schützen und Arbeitsplätze zu erhalten, sondern auch, Unternehmer in Schwierigkeiten zu unterstützen.

Die erste bemerkenswerte Änderung dieses Gesetzes ist die wie in Artikel 2 vorgesehene Erweiterung seines Anwendungsbereichs. Das Gesetz gilt nun auch für natürliche Personen, die eine berufliche Tätigkeit ausüben und ebenfalls unter den wirtschaftlichen Spannungen leiden.

Jedoch ist das Kernstück dieses Gesetzes zweifellos die vorgeschlagenen Verfahren, um den Erhalt von Unternehmen zu gewährleisten und eine Insolvenz zu vermeiden. So führt es drei neue Verfahren ein:

Die Konkursverhandlung/Schlichtung, bei der das zuständige Ministerium auf Antrag des Schuldners einen Unternehmensvermittler/schlichter benennen kann, um die Reorganisation eines Teils oder des gesamten Vermögens oder der Aktivitäten des Schuldners zu erleichtern.

Das Verfahren der gerichtlichen Reorganisation zielt darauf ab, unter der Aufsicht des Richters die Kontinuität des Unternehmens zu bewahren und bietet drei verschiedene Optionen. Die erste Möglichkeit besteht darin, einen Aufschub zu erhalten, um den Abschluss einer gütlichen Einigung zu ermöglichen. Die zweite Option besteht darin, einen Reorganisationsplan zu erstellen, der den Abschluss einer kollektiven Vereinbarung vorsieht. Dieser Plan muss jedoch von den verschiedenen Gläubigern genehmigt werden. Es ist auch möglich, diesen vom Gericht anerkennen zu lassen, um seine Ausführung zu erleichtern. Die dritte Option ist die Übertragung durch Gerichtsbeschluss, bei dem ein Teil oder das gesamte Vermögen des Schuldners an einen oder mehrere Dritte verkauft wird.

Das dritte Verfahren ist die Reorganisation durch gütliche Einigung, in welcher der Schuldner seinen Gläubigern eine gütliche Einigung zur Reorganisation eines Teils oder des gesamten Vermögens oder der Aktivitäten des Schuldners vorschlagen kann.

Zusammenfassend stellt dieses neue Gesetz zweifell os einen bedeutenden Fortschritt dar, der es ermöglicht, ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen zu erkennen, bevor es in eine ausweglose Situation gerät. Somit bekommt ein ehrlicher Geschäftsführer, der Konkurs angemeldet hat, die Gelegenheit eine neue Geschäftsmöglichkeit zu tätigen.

Autoren: Avocat à la Cour JULIE DENOTTE & ANNE-MARIE SCHMIT, L’ÉTUDE ANNE-MARIE SCHMIT, Luxembourg

Kategorien
Deutsch

„Kampf der Formulare“ nach dem Übereinkommen der UN über Verträge über den internationalen Warenkauf (im Folgenden: CISG)

„Kampf der Formulare“ nach dem Übereinkommen der UN über Verträge über den internationalen Warenkauf (im Folgenden: CISG)

Amsterdam/Enschede, 1. Juli 2024

Wenn die Vertragsparteien im Angebot und in der Annahme jeweils auf die Anwendbarkeit ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen, stellt sich die Frage, welche allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Vertrag anwendbar sind. Nach nationalem niederländischen Recht muss diese Frage im sogenannten „Kampf der Formulare“ nach der „First Shot Rule“ beantwortet werden.

Die „First Shot Rule“ besagt, dass die zweite Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen keine Wirkung hat, es sei denn, die zweite Bezugnahme lehnt die Anwendbarkeit der ersten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich ab. Kurz gesagt: Wer zuerst „schießt“, gewinnt, es sei denn, es liegt eine Ausnahmesituation vor.

Bei einem grenzüberschreitenden Verkauf muss jedoch zunächst geprüft werden, ob das CISG Anwendung findet. Kurz gesagt, das CISG gilt für einen internationalen Verkauf beweglicher Güter zwischen zwei professionellen Parteien (B2B). Diese Parteien müssen entweder selbst in einem Staat ansässig sein, der Vertragsparteien des CISG ist oder sich auf die Anwendbarkeit des Rechts eines Staates geeinigt haben, der Vertragspartei dieses Übereinkommens ist. Findet das CISG Anwendung, dann entscheiden sich beide Fragen, nämlich die Frage, ob Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt Anwendung finden und wenn ja, welche der unterschiedlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann auf den (grenzüberschreitenden) Kaufvertrag anwendbar sind, nach dessen Regelungen.

Nach den Bestimmungen der Artikel 14 und 18 in Verbindung mit den Artikeln 8 und 9 des CISG sind Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestandteil des Kaufvertrags, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Parteien müssen die Einbeziehung dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben und die Gegenpartei des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss in angemessener Weise Gelegenheit gehabt haben, sich mit ihnen vertraut zu machen.

Ergibt diese Prüfung, dass sowohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Käufers als auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers Bestandteil des Vertrages sind, stellt sich die Frage, welche der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden ist. Dabei geht der CISG-Beirat, eine internationale Expertengruppe für das CISG, von der sogenannten „Knock-out-Regel“ aus. In der Stellungnahme Nr. 13, Regel Nr. 10, hat der CISG-Beirat kurz und bündig entschieden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann gelten, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich ähnlich sind. Inhaltlich abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nicht Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags. Hierfür gilt also der „Knock-out“.

Für den Fall, dass die „Knock-out-Regel“ dafür sorgt, dass zwischen den Parteien zu bestimmten Themen nichts geregelt wird, müssen die Parteien auf den Inhalt des CISG zurückgreifen. Soweit die Gegenstände auch im CISG nicht geregelt sind, müssen die Parteien auf das anwendbare nationale Recht zurückgreifen. Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-Übereinkommen (Verordnung (EU) Nr. 864/2007) bestimmt, dass auf den Kaufvertrag über bewegliche Sachen das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kommt es zu einer Konfliktsituation in Bezug auf einen Gegenstand, der weder im Kaufvertrag noch im CISG durch allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt ist, muss das anwendbare Recht ausschlaggebend sein.

Fallbeispiel: Grenzüberschreitender Kauf von Rohren für einen Wärmetauscher

In einem aktuellen Fall ging es um einen Kaufvertrag über den Erwerb von Rohren, die in Wärmetauschern eingebaut werden sollten. Die verkaufende Partei hatte ihren Sitz in den Niederlanden. Die kaufende Partei war in Deutschland ansässig. Der Käufer in Deutschland benötigte die Rohre für ein Großprojekt: den Bau eines Wärmetauschers bei einem Dritten, einem seiner Kunden. Bei der Verlegung der Rohre im Wärmetauscher stellte sich heraus, dass die Rohre fehlerhaft waren. Unter anderem gab es mehrere Risse in den Rohren. Aufgrund der Verletzung des Kaufvertrags erlitt der deutsche Käufer einen erheblichen Schaden. Zunächst einmal musste der Käufer die Mängel von einem Sachverständigen untersuchen lassen. Dies war mit hohen Kosten verbunden. Zweitens musste der deutsche Käufer die defekten Rohre Stück für Stück ausbauen und neue, ordnungsgemäße Rohre in den Wärmetauscher einbauen. Schließlich verlangte der Dritte vom deutschen Käufer eine hohe Vertragsstrafe für die verspätete Lieferung des Wärmetauschers.

Da sowohl der deutsche Käufer als auch der niederländische Verkäufer bei Vertragsabschluss auf ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen, stellte sich die Frage, welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Kaufvertrag anwendbar waren. Da es sich um einen grenzüberschreitenden Verkauf beweglicher Sachen zwischen zwei professionellen Parteien handelte, die beide Vertragsparteien sind, fand das CISG Anwendung. Auf der Grundlage des CISG musste zunächst festgestellt werden, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer der beiden Parteien überhaupt Anwendung finden. Dann war nach der „Knock-out-Regel“ zu bestimmen, welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten.

Die beiden Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterschieden sich inhaltlich in fast allen Punkten, auch beim Ausschluss von Schadensersatz. Lediglich in einem Punkt stimmten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich überein: Beide Parteien hatten in ihren AGB die Anwendbarkeit des CISG ausgeschlossen. Da die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in diesem Punkt übereinstimmten, war das CISG somit nicht anwendbar. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Schadensersatz stimmten inhaltlich nicht überein, so dass auf diese Bestimmungen die Knock-Out-Regel Anwendung fand. Die Rechtsfrage des Schadensersatzanspruchs musste daher nach dem anwendbaren niederländischen Recht entschieden werden.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema, oder haben Sie einen Streitfall in Bezug auf einen (internationalen) Kaufvertrag mit Bezug auf die Niederlande? Dann wenden Sie sich bitte an uns (Frau Rechtsanwältin I.K.M. Hoffmann und Frau L.E.M. Zanderink)

Autor: Frau L.E.M. Zanderink, Damste Advocaten, Niederlande

Kategorien
Deutsch

DIE NEUE FLEXIBLE KAPITALGESELLSCHAFT (FLEXCO) IN ÖSTERREICH

DIE NEUE FLEXIBLE KAPITALGESELLSCHAFT (FLEXCO) IN ÖSTERREICH

Wien, 19.04.2024

Seit 01.01.2024 ist Österreich um eine Gesellschaftsform reicher: die flexible Kapitalgesellschaft, oder kurz „FlexCo“ genannt. Die FlexCo wird oft als Hybridform zwischen den beiden bislang vorhandenen Kapitalgesellschaftsformen GmbH und AG betrachtet.

Die FlexCo soll den Anforderungen von Start-Ups nach mehr Flexibilität und reduzierten Formalitäten gerecht werden, wobei der Umstieg auf die FlexCo auch bereits etablierten Unternehmen zur Verfügung steht.

Die FlexCo basiert auf dem GmbH-Recht, jedoch mit flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten aus dem Aktienrecht. Sie kann grundsätzlich von mindestens einer natürlichen oder juristischen Person zu jedem erlaubten Zweck gegründet werden. Das Mindeststammkapital beträgt EUR 10.000,00, wobei mindestens die Hälfte bei der Gründung einzuzahlen ist – eine Regelung, die nun auch für die GmbH gilt. Im Unterschied zur GmbH beträgt die Mindeststammeinlage jedoch lediglich EUR 1,00.

Kernanliegen der FlexCo ist es, Unternehmensbeteiligungen einfacher zu ermöglichen. Neben den klassischen Gesellschaftsanteilen kann im Gesellschaftsvertrag auch die Ausgabe von Unternehmenswertanteilen in einem Ausmaß bis 25% des Stammkapitals vorgesehen werden. Dadurch sollen insbesondere Gewinnbeteiligungen von Mitarbeitern ohne Stimmrecht ermöglicht werden. Für den Fall eines Ausstiegs der Gründungsgesellschafter kommt diesen zwingend ein Mitverkaufsrecht zu. Im Firmenbuch werden lediglich die Summe der vergebenen Unternehmenswertanteile, nicht jedoch die Namen der Inhaber, eingetragen.

Auch ist die Übertragung von Anteilen im Vergleich zur GmbH deutlich vereinfacht: Weder bei der Übertragung von herkömmlichen Gesellschaftsanteilen noch von Unternehmenswertanteilen ist bei der FlexCo eine notarielle Beurkundung erforderlich. Stattdessen genügt eine anwaltliche Privaturkunde.

Eine weitere Neuerung ist die Einführung von Stückanteilen mit einem Nennbetrag im Gesellschaftsvertrag. Jeder Anteil ist mit einer Stimme verbunden und muss mindestens einen Nennbetrag von EUR 1,00 aufweisen. Dadurch können Gesellschafter unterschiedliche Anteile halten und über diese separat verfügen. Auch werden Möglichkeiten wie bedingtes Kapital, genehmigtes Kapital und die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen sowie der Erwerb eigener Aktien und Unternehmenswertanteilen ermöglicht.

Ganz im Sinne der Reduktion von Formalität ist es bei der FlexCo zudem möglich, im Gesellschaftsvertrag die jederzeitige Beschlussfassung im Umlaufwege vorzusehen, sodass diese nicht wie bei der GmbH durch die Verweigerung einzelne Gesellschafter verhindert werden kann.

Insgesamt zeigt sich mit der FlexCo eine Gesellschaftsform, die nicht nur modern klingt, sondern auch eine Reihe von Erleichterungen im Vergleich zur GmbH bietet. Dennoch bleibt abzuwarten, ob sich diese in der Praxis durchsetzen kann.

Autoren: Kristina Maria Steflitsch, Johannes Zink, hba Rechtsanwälte GmbH, Wien, Österreich

Kategorien
Deutsch

Spanisches Königliches Gesetzesdekret 6/2023

Spanisches Königliches Gesetzesdekret 6/2023

Granada, 11.04.2024

Das spanische Königliche Gesetzesdekret 6/2023 wurde am 20. Dezember 2023 veröffentlicht und trat am 20. März 2024 in Kraft. Es genehmigt dringende Maßnahmen zur Umsetzung des Plans zur Wiederherstellung, Umgestaltung und Widerstandsfähigkeit des Justizsystems, des öffentlichen Dienstes, der Kommunalverwaltung und der Schirmherrschaft.

Sein Hauptziel ist es unter anderem, zur Modernisierung und Digitalisierung der Justiz beizutragen, indem die spanischen Gerichte an die moderne Technologie angepasst werden.

  1. In Zivil- und Strafverfahren werden künftig in der Regel virtuelle Anhörungen per Videokonferenz oder ähnlichen Systemen durchgeführt, mit einigen Ausnahmen und besonderen Situationen, die in den Gesetzen für die verschiedenen Gerichtstypen vorgesehen sind.
  2. So werden beispielsweise in Zivilsachen die gerichtlichen Anhörungen, bei denen die Parteien, Zeugen und Sachverständigen angehört und befragt werden, persönlich stattfinden; aber auch in diesen Fällen können unter bestimmten Umständen virtuelle Anhörungen beantragt werden, z.B. wenn die Person, die als Streithelfer auftreten muss, in einer anderen Gemeinde als der des Gerichts wohnt.
  3. Gerichtsverhandlungen, Anhörungen und andere Verfahrenshandlungen, die nach den Verfahrensgesetzen in öffentlicher Sitzung stattfinden müssen, können übertragen werden, wenn alle Beteiligten virtuell daran teilnehmen.
  4. Alle Verfahrenszustellungen sind auf elektronischem Wege zu übermitteln, außer bei Personen, die nicht durch einen Rechtsanwalt (procurador) vertreten sind; diese können wählen, ob sie die Zustellungen in Papierform oder auf elektronischem Wege vornehmen und erhalten wollen.
  5. Es wurden elektronische Justizplattformen (sedes judiciales electrónicas) eingerichtet, die den Parteien über ein sicheres Anmeldesystem Zugang zu verschiedenen Arten von Inhalten bieten. Dazu gehören der „Justizordner“ (Carpeta Judicial), der „Allgemeine Zugangspunkt zur Justiz“ (Punto de Acceso General a la Administración de Justicia) und die „Elektronische Justizakte“ (Expediente Judicial Informático).
  6. Die „Elektronische Gerichtsakte“ (Expediente Judicial Informático) wird in Zukunft der zentrale Punkt für die digitale Justiz sein. In Verbindung mit der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes der Datenorientierung soll die Tür für neue technologische Lösungen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz geöffnet werden.
  7. Es wurden Gremien und Mechanismen geschaffen, um die Zusammenarbeit zwischen den an der Justiz beteiligten Behörden zu gewährleisten, und das „Justizielle Interoperabilitäts- und Sicherheitssystem“ (Esquema Judicial de Interoperabilidad y Seguridad) wird als eine Reihe verbindlicher technischer Anweisungen entwickelt werden.

Diese Gesetzesänderung hat entscheidende Auswirkungen für Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf die erste Ladung. Die Änderung der Verordnung bedeutet, dass die ersten Ladungen und Zustellungen an juristische Personen elektronisch erfolgen werden, was eine erhebliche Änderung gegenüber der derzeitigen Praxis darstellt (die in Papierform am Sitz der Unternehmen erfolgt).

Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie eine wirksame Kontrolle über die vorgesehenen elektronischen Plattformen haben, und falls die Zustellungen nicht innerhalb von drei Tagen heruntergeladen werden können, werden sie auf der einzigen gerichtlichen Bekanntmachungstafel (Tablón Edictal Judicial Único) veröffentlicht.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass sich die Unternehmen bei den genannten elektronischen Plattformen für Benachrichtigungssysteme anmelden müssen, um rechtzeitig über gerichtliche Zustellungen informiert zu werden.

Artikel 12.5 sieht jedoch ein spezielles Benachrichtigungssystem für Unternehmen vor, deren Fallvolumen die Verwaltung über den allgemeinen Zugangspunkt erschweren könnte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Königliche Gesetzesdekret 6/2023 nicht nur in verfahrenstechnischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die erste Vorladung von Unternehmen eine bedeutende Änderung darstellt, indem es der telematischen und elektronischen Kommunikation den Vorrang gibt (im Gegensatz zur traditionellen Zustellung in Papierform am Sitz des Unternehmens).

Autor: Luis Sánchez Pérez , Director Mercantil, Medina Cuadros Abogados S.L, Granada, Spanien

Kategorien
Deutsch

Insolvenzanfechtung: Bundesgerichtshof rudert weiter zurück

Insolvenzanfechtung: Bundesgerichtshof rudert weiter zurück

Berlin, 05.02.2024

Neues BGH-Urteil zur Vorsatzanfechtung § 133 Abs. 1 InsO

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in seinen Entscheidungen vom 3. März 2022 (IX ZR 78/20) und vom 23. Juni 2022 (IX ZR 75/21) sich mit der gesetzlichen Tatsachenvermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO befasst hatte, greift er diesen Gesichtspunkt in einer erst jetzt im Januar 2024 veröffentlichten Entscheidung vom 26. Oktober 2023 (IX ZR 112/22) erneut auf.

Damit bestätigt sich die seinerzeit von PASCHEN veröffentlichte Einschätzung, wonach der Bundesgerichtshof dem Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wieder mehr Bedeutung verschaffen möchte. Es darf davon ausgegangen werden, dass die aufeinanderfolgenden Wechsel im Vorsitz des für die Insolvenzanfechtung zuständigen IX. Zivilsenats in den letzten drei Jahren für diese Rechtsprechungsänderung zum Nachteil der Anfechtungsgegner verantwortlich zeichnen.

Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes

Nach der Regelung im § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird beim Anfechtungsgegner Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners vermutet, wenn er wusste, dass beim Insolvenzschuldner Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Auf die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann hingegen nur noch in den Fällen abgestellt werden, in denen der Anfechtungsgegner keine direkte Gegenleistung für die angefochtene Rechtshandlung erbracht hat. In diesem Punkt hat die Reform des Anfechtungsrechts vom 5. April 2017 die Rechtsposition von Lieferanten und Dienstleistern erfreulicherweise etwas verbessert.

Viele Gläubiger waren nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 6. Mai 2021 (IX ZR 72/20) davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich der gesetzlichen Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO jetzt nur noch auf Ausnahmefälle beschränkt sei.

Die beiden Entscheidungen vom 3. März 2022 und vom 23. Juni 2022 hatten zwar für diejenigen Gläubiger, die Zahlungen aufgrund eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erhalten haben, etwas mehr Rechtssicherheit gebracht, gleichzeitig aber bereits deutlich betont, dass der Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht eingeschränkt werden sollte.

Eckpunkte der BGH Entscheidung IX ZR 112/22

Nun befasste sich der Bundesgerichtshof in der jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 26. Oktober 2023 nochmals ausführlich mit der Reichweite der Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO.

Die Eckpunkte dieser Entscheidung sind eindeutig: kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des späteren Insolvenzschuldners, streitet die Tatsachenvermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO für den anfechtenden Insolvenzverwalter, d.h. er hat den Nachweis geführt, dass der Anfechtungsgegner den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte.

Dieser muss nun seinerseits die gesetzliche Vermutung widerlegen und den Vollbeweis dafür führen, dass er den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners nicht kannte. Hierzu muss er zu Überzeugung des Gerichtes darlegen, dass er trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit davon ausgehen durfte, dass der Schuldner in der dafür zur Verfügung stehenden Zeit seine übrigen bereits vorhandenen und absehbar hinzutretenden Gläubiger wird vollständig befriedigen können. Allein dies stellt schon für einen außenstehenden Gläubiger, der die wirtschaftliche Situation seines Schuldners erfahrungsgemäß nicht kennt, extrem hohe Hürden auf.

Der Bundesgerichtshof hat aber noch eine weitere Hürde hinzugefügt, die kaum noch zu nehmen sein dürfte: der Anfechtungsgegner darf diese Prognose nur auf einer hinreichend verlässlichen Beurteilungsgrundlage anstellen. D. h. mit anderen Worten, er darf nicht vagen Auskünften des Schuldners vertrauen, auch eine bloße Hoffnung, dass die übrigen Gläubiger auch befriedigt werden, lässt der BGH nicht ausreichen. Verlangt wird vielmehr eine ausreichend verlässliche Beurteilungsgrundlage; wann diese gegeben ist, überlässt der Bundesgerichtshof erst einmal den Instanzgerichten. Im Ergebnis bedeutet dies, dass – wenn erst einmal der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zugunsten des Insolvenzverwalters eingreift – es dem Anfechtungsgegner nur noch in Ausnahmefällen gelingen wird, diese Vermutung zu widerlegen, beispielsweise wenn ein belastbares Sanierungskonzept vorliegt (zu dessen Anforderungen: vergleiche BGH, Urteile vom 3. März 2022 – IX ZR 78/20 und vom 23. Juni 2022  IX ZR 75/21).

Fazit

Ob in solchen Fällen die zugunsten des Anfechtungsgegners in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO aufgestellte Vermutung eingreift, dass der Anfechtungsgegner bei Abschluss einer Zahlungsvereinbarung oder Gewährung einer Zahlungserleichterung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte, hat der BGH bislang nicht entschieden. Ebenso lässt der Bundesgerichtshof offen, welchen Zeitraum er mit der Formulierung „in der zur Verfügung stehenden Zeit“ bis zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger zu Grunde legen will. Die Rechtsunsicherheit für Gläubiger wird damit wieder deutlich größer.

Kategorien
Deutsch

Earn Jahrestagung Granada 2023

Earn Jahrestagung Granada 2023

Granada, 01.11.2023

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft 2023 hat Granada aufgrund ihrer Geschichte, ihrer zentralen Lage und ihrer Zukunft als idealen Ort ausgewählt, um die Werte der Europäischen Union weiter voranzubringen und das Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft und das informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs am 5. / 6. Oktober 2023 auszurichten. Der Ort für unser EARN Meeting 2023 vom 19. bis 21. Oktober 2023 hätte also nicht besser gewählt werden können.

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft 2023 hat Granada aufgrund ihrer Geschichte, ihrer zentralen Lage und ihrer Zukunft als idealen Ort ausgewählt, um die Werte der Europäischen Union weiter voranzubringen und das Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft und das informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs am 5. / 6. Oktober 2023 auszurichten. Der Ort für unser EARN Meeting 2023 vom 19. bis 21. Oktober 2023 hätte also nicht besser gewählt werden können.

Die spanische Partnerkanzlei Medina Cuadros Abogados konnte auch die EARN Netzwerkmitglieder quasi vollzählig in ihren Räumen in der wunderschönen Altstadt willkommen heißen. Die anschließende Tagung im historischen Carmen de la Victoria der renommierten Universität zu Granada wurde von Professor Klaus Jochen Albiez Dohrmann, Abteilung Zivilrecht der Universität Granada mit einem interessanten Vortrag zur kollektiven Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Spanien eröffnet. Anschließend wurde rege diskutiert und länderspezifische Regelungen der Partnerländer gegenübergestellt. Wie bereits in den letzten Jahren stellten alle Teilnehmer wieder Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung, aber auch zu den Entwicklungen des elektronischen Rechtsverkehrs in den Mitgliedsländern vor. Fazit der elektronische Rechtsverkehr ist zwischenzeitlich mehrheitlich erfolgreich implementiert.

Das fantastische Rahmenprogramm mit den Highlights der Stadt und kulinarischen Leckerbissen perfekt organisiert von Luis Sánchez Pérez wurden von allen Teilnehmenden ausgesprochen gelobt und wertgeschätzt. Der persönliche intensive Austausch in Granada hat die engen Beziehungen zwischen den Teilnehmer weiter gestärkt und die Vorfreude auf das nächste EARN Jahrestreffen im Herbst 2024 in Amsterdam ist groß.

Kategorien
Deutsch

EARN-Meeting in Wien

EARN-Meeting in Wien

Wien, 31.10.2022

Nach Corona- bedingter 2-Jähriger Pause fand die EARN European Accounts Receivable Jahrestagung 2022 am vergangenen Wochenende wieder live statt. Die österreichische Partnerkanzlei hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH hieß zahlreiche Netzwerkmitglieder in ihrem zentral gelegenen Wiener Büro mit Blick auf die imposante Votivkirche willkommen.

Ein thematischer Schwerpunkt des zweitägigen Treffens waren insbesondere die länderspezifischen Regelungen zur Umsetzung der EU Richtlinien über „bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte“ und über „bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs“ sowie der EU-Restrukturierungsrichtlinie.

Als weitere Themen standen aktuelle Gerichtsentscheidungen zu grenzüberschreitenden Fällen und „das ökonomische Potential und rechtliche Herausforderungen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz (AI) im Rechtssystem“ sowie die Fortentwicklung des European Business Codes auf dem Programm.

Allgemein stellten die Teilnehmer fest, dass sich die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner erfreulich erfolgreich entwickelt hat und waren sich einig, dass der regelmäßige persönliche Austausch von besonderem Wert für die grenzüberschreitenden Fallbearbeitung ist. Die Vorbereitungen für das nächste EARN-Jahrestreffen 2023 haben daher schon begonnen.

Kategorien
Deutsch

Eingeschränkter Vollstreckungsschutz gegen EU Vollstreckungstitel

Eingeschränkter Vollstreckungsschutz gegen EU Vollstreckungstitel

Berlin, 10.10.2022

Bereits im Jahre 2004 wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO) die Möglichkeit einer vereinfachten Vollstreckung aus Titeln von Gerichten eines anderen EU- Mitgliedsstaats geschaffen, wenn die zugrundeliegenden Forderungen nicht bestritten sind.

Wie der BGH in einer Entscheidung im Juli dieses Jahres (BGH Beschluss vom 7. Juli 2022 – IX ZB 38/21), bei der es um unbezahlte Honorare einer österreichischen Anwaltskanzlei ging, entschieden hat, sind bei der Vollstreckung aus derartigen Titeln die Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt, da die betroffenen Schuldner eines wegen der Voraussetzung, dass die zugrundliegenden Ansprüche unbestritten geblieben sind, eines geringeren Schutzes bedürfen. Zulässig sind danach lediglich die in der EuVTVO selbst genannten Rechtsmittel, wie etwa die Möglichkeit im Ursprungsstaat eine Berichtigung des Titels zu beantragen, und die (nationalen) Rechtsschutzmöglichkeiten im Vollstreckungsstaat, sofern es nicht entsprechende spezieller Regelungen in der EuVTVO gibt.

Eine Berufung auf Vollstreckungshindernisse nach der für streitige Entscheidungen geltenden EuGVVO (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) ist daher – so der BGH – bereits unzulässig. Der BGH zeigt damit Schuldnern, die auf Zeit spielen, die rote Karte. Für Gläubiger, die in diesen Fällen zurecht eine zügige Vollstreckung fordern, eine gute Nachricht.

Autor: Rechtsanwalt Lutz Paschen, PASCHEN Rechtsanwälte PartGmbB

Kategorien
Deutsch

Elektronisches Unterzeichnen in den Niederlanden

Elektronisches Unterzeichnen in den Niederlanden

Amsterdam/Enschede, 27.06.2022

Die elektronische Signatur spielt beim Unterzeichnen von Verträgen und anderen Dokumenten eine immer wichtigere Rolle. Die europäische Richtlinie wurde auch in den Niederlanden umgesetzt. In diesem Artikel wird erklärt, welche Rolle sie einnimmt und was in Bezug auf elektronische Signaturen in den Niederlanden empfohlen wird.

Dabei geht es auch um die Frage, ob eine elektronische Signatur in den Niederlanden das „Erfordernis der Schriftlichkeit“ erfüllt und inwieweit es in den Niederlanden möglich ist, elektronisch zu unterschreiben.

Verordnungen
Auf europäischer Ebene sind die Regeln für elektronische Signaturen in der eIDAS-Verordnung festgelegt. In Artikel 3 der Verordnung werden drei Arten von Unterschriften unterschieden:

1)    Elektronische Signatur: Daten in elektronischer Form, die an andere Daten in elektronischer Form angehängt oder mit diesen logisch verknüpft sind und vom Unterzeichner zum Unterschreiben verwendet werden (Teil 10); zum Beispiel

i)    Scan einer Papierunterschrift

ii)   die (maschinengeschriebene) Unterschrift am Ende einer E-Mail.

2)    Fortgeschrittene elektronische Signatur: erfüllt die folgenden Anforderungen (Artikel 3 Teil 11 und Artikel 26 der eIDAS-Verordnung):

a)   Sie ist eindeutig mit dem Unterzeichner verbunden;

b)   Sie ermöglicht die Identifizierung des Unterzeichners;

c)   Sie wird unter Verwendung von elektronischen Signaturerstellungsdaten erstellt, die der Unterzeichner unter seiner alleinigen Kontrolle mit einem hohen Maß an Vertrauen verwenden kann; und

d)   Sie ist mit den mit ihr signierten Daten so verknüpft, dass jede nachträgliche Änderung der Daten erkannt werden kann.

3)    Qualifizierte elektronische Signatur: eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die

e)   von einer qualifizierten Signaturerstellungseinheit erstellt wird und

f)    auf einem qualifizierten elektronischen Signaturzertifikat beruht;


Das qualifizierte Zertifikat muss darüber hinaus von einem qualifizierten Vertrauens Diensteanbieter ausgestellt werden, der die Anforderungen von Anhang I der eIDAS-Verordnung (Artikel 3 Teil 15 der eIDAS-Verordnung) erfüllt.


Die eIDAS-Verordnung schreibt nur Rechtswirkung für die qualifizierte elektronische Signatur vor. Für die anderen elektronischen Signaturen ist Folgendes vorgesehen: „Die Rechtswirkung einer elektronischen Signatur und ihre Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren dürfen nicht allein mit der Begründung verweigert werden, dass es sich um eine elektronische Signatur handelt oder dass sie nicht die Anforderungen an qualifizierte elektronische Signaturen erfüllt.“


Das bedeutet, dass die qualifizierte elektronische Signatur in jedem Mitgliedstaat die gleiche Wirkung hat: Sie hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift.  Bei den anderen elektronischen Signaturen ist die Gesetzgebung von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich.


Niederländische Vorschriften


In Artikel 3:15a BW (niederländisches BGB) sind die Rechtsfolgen der einfachen und fortgeschrittenen elektronischen Signatur wie folgt geregelt: „Eine fortgeschrittene elektronische Signatur (Teil 11) und eine weitere elektronische Signatur (Teil 10) haben die gleichen Rechtswirkungen wie eine handschriftliche Unterschrift, wenn für diese beiden elektronischen Signaturen die verwendete Unterzeichnungsmethode unter Berücksichtigung des Zwecks, für den die elektronische Signatur verwendet wird, und aller anderen Umstände des Falles hinreichend zuverlässig ist.“


In dem Artikel wird nicht präzisiert, wann eine ausreichend zuverlässige elektronische Signatur vorliegt. Es gibt eine offene Norm, die es schwierig macht, allgemein anzugeben, wann die Anforderungen in Artikel 3:15a BW erfüllt sind. Es wird davon ausgegangen, dass bei einer einfachen Transaktion eine gewöhnliche elektronische Signatur in der Regel ausreicht, während bei einer komplexeren Transaktion, die mehr Zuverlässigkeit und Sicherheit erfordert, eine fortgeschrittene elektronische Signatur erforderlich ist.


Bei der Entscheidung, ob eine Transaktion einfach oder komplex ist, spielen der wirtschaftliche Wert und die Art der Transaktion eine Rolle.  Die elektronische Signatur muss in dem Maße, wie die Bedeutung des Rechtsakts zunimmt, durch weitere Schutzmechanismen ergänzt werden.


Die Parteien können selbst bestimmen, welche Art der elektronischen Signatur sie für welchen Rechtsakt für wünschenswert halten. In den meisten Fällen werden die Parteien ihre Wahl aus Beweisgründen in ihrem Vertragsverhältnis festhalten. Haben die Parteien keine solche Wahl getroffen, prüft das Gericht im Streitfall, ob die tatsächlich verwendete Unterschrift unter Berücksichtigung der Art der Transaktion und aller anderen Umstände des Falles ausreichend zuverlässig ist.


Beweis
Wird eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet, hat sie die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift (Artikel 25 Absatz 2 der eIDAS-Verordnung). Das bedeutet, dass sie verbindliche Beweiskraft hat (Artikel 156 in Verbindung mit Artikel 156a und 157 (2) Rv). Die Parteien können Vereinbarungen über den Zuverlässigkeitsgrad fortgeschrittener und anderer elektronischer Signaturen treffen. Dies ist bei der qualifizierten elektronischen Signatur nicht möglich, da die Verordnung dies vorsieht.  Diese Parteivereinbarung ist ein Umstand, der bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der für die Unterzeichnung verwendeten Methode berücksichtigt wird. Im Streitfall prüft der Richter anhand der in Artikel 3:15a BW genannten Kriterien.


Stellt der Richter fest, dass die gewöhnliche oder fortgeschrittene elektronische Signatur hinreichend zuverlässig ist, hat dieses Dokument gemäß Artikel 3:15a BW in Verbindung mit Artikel 156a BW in Verbindung mit Artikel 157 Absatz 2 BW verbindliche Beweiskraft. Entscheidet der Richter, dass eine elektronische Signatur nicht ausreichend zuverlässig ist, hat das elektronische Dokument nur eine freie Beweiskraft (Artikel 152 Rv). Es gibt noch wenig Rechtsprechung zu diesen Themen.


Verwendung von elektronischen Signaturen in den Niederlanden

Qualifizierte elektronische Signatur: Diese Aktion wird von einem qualifizierten Zertifikat begleitet. Ein solches Zertifikat ist Teil eines digitalen Codes, den der Absender seiner Nachricht hinzufügt. Es gibt spezielle Organisationen, die Zertifikate ausstellen, den Zertifizierungsdienst. Public Key Infrastructure (PKI) Die Regierung stellt das Zertifikat aus, das die niederländische Regierung verwendet. Die niederländische Agentur für Funkkommunikation überwacht die Bereitstellung von Zertifizierungsdiensten. Im Internet sind verschiedene Anbieter zu finden, bei denen diese Dienstleistung erworben werden kann (DocuSign, Adobe).

Fortgeschrittene elektronische Signatur (AES): Auf der Website der Regierung wird diese Option nicht erwähnt. In der eIDAS-verordening wird dies zwar erwähnt, aber nicht weiter erläutert.

Andere elektronische Signaturen: Dies ist im Allgemeinen nicht empfehlenswert für Geschäftsvorgänge von erheblichem Wert.


Schlussfolgerung
Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleichen rechtlichen Folgen wie eine „normale“ Unterschrift. Dies bedeutet, dass das unterzeichnete Dokument eine verbindliche Beweiskraft hat. Ein mit einer fortgeschrittenen oder anderen elektronischen Signatur unterzeichnetes Dokument hat nur dann eine verbindliche Beweiskraft, wenn das Gericht die Unterzeichnungsmethode im Hinblick auf die Art und den Wert des Geschäfts als hinreichend zuverlässig ansieht. Hält der Richter die Art der Unterzeichnung für nicht hinreichend zuverlässig, findet Artikel 3:15a BW keine Anwendung und das Dokument hat freie Beweiskraft. Es sei darauf hingewiesen, dass das Gericht, wenn es die Unterschriftsmethode nicht als zuverlässig ansieht, höchstwahrscheinlich auch keine große Beweiskraft zuerkennen wird.

Autorin: Advocaat Irith Hofmann, Damste Advocaten, Niederlande