Verträge nach englischem Recht und COVID-19
Northampton, 01.06.2020
Unternehmen müssen sich zu gegebener Zeit überlegen, ob sie selbst oder ihr Vertragspartner einen Geschäftsvertrag als Folge der durch COVID-19 verursachten Unterbrechung aussetzen oder kündigen können.
Von der Regierung ergriffene Restriktionsmaßnahmen, unruhige Märkte und Arbeitsfragen stellen weiterhin Hindernisse für die Geschäftstätigkeit dar, die in einigen Fällen die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen unmöglich machen. Bei Vereinbarungen zwischen internationalen Parteien, die dem englischen Recht unterliegen, ist die Entscheidung, ob eine Vereinbarung ausgesetzt oder gekündigt werden kann, nicht immer leicht, da es keine allgemeingültigen Erleichterungen oder Vergünstigungen von COVID-19 gibt. Jeder Fall hängt von den spezifischen Bedingungen des Vertrages und den genauen Umständen ab, in denen sich die Vertragsparteien befinden.
Hier sind einige der Schlüsselfragen, die Parteien von Verträgen, die dem englischen Recht unterliegen, beachten sollten:
1. Höhere Gewalt – Enthält der Vertrag eine Bestimmung über höhere Gewalt, die sich mit den besonderen Umständen befasst?
2. Milderung – Hat die betroffene Vertragspartei ihren Verlust abschwächen können?
3. Leistungshindernis – Hat es eine Störung der Vertragsgrundlage gegeben?
Was ist Höhere Gewalt?
Eine Klausel über höhere Gewalt (falls im Vertrag enthalten) legt im Allgemeinen die Rechte und Rechtsmittel einer oder beider Parteien für den Fall fest, dass ein extremes Ereignis eintritt, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt.
Ein Vertrag muss ausdrücklich höhere Gewalt vorsehen, da es in England keine allgemeine Gesetzesgrundlage für höhere Gewalt gibt.
Da jeder Vertrag anders formuliert ist, ist es wichtig, den genauen Wortlaut fallweise zu prüfen. Je nach Wortlaut der Klausel kann sich eine Partei auf diese berufen, um eine Verzögerung, Aussetzung oder sogar Beendigung des Vertrages ohne jegliche Haftung zu rechtfertigen.
Stellt COVID-19 ein Ereignis höherer Gewalt dar?
Ob COVID-19 ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, hängt von der Definition des Begriffs „höhere Gewalt“ im Vertrag sowie von den genauen Umständen ab.
Eine Formulierung, die „Pandemie“ oder „Gesundheitskrise“ beinhaltet, kann die Einstufung von COVID-19 als Ereignis höherer Gewalt unterstützen. Alle von der Regierung auferlegten verbindlichen Einschränkungen können als Ereignis höherer Gewalt gesehen werden, sofern die Definition Formulierungen wie „behördliche Maßnahmen“ und „Regulierungsmaßnahmen“ enthält. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass der Verweis auf einen „Act of God“ COVID-19 einschließt, da dieser sich gewöhnlich auf Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben bezieht.
Sofern im Vertrag nicht ausdrücklich anders angegeben, gilt höhere Gewalt im Allgemeinen nicht, wenn das Ereignis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses andauerte oder von den Parteien in Erwägung gezogen wurde. Der Zeitpunkt, an dem COVID-19 „in der Erwägung der Parteien“ war, ist Interpretationssache.
Es obliegt der Partei, die die Klausel über höhere Gewalt durchsetzen will, nachzuweisen, dass das Ereignis höherer Gewalt in dem Maße eingetreten ist, wie die Leistung erheblich verzögert oder verändert wird.
Milderung
Wurde ein Ereignis höherer Gewalt festgestellt, muss die benachteiligte Vertragspartei weiterhin nachweisen, dass sie die Auswirkungen des Ereignisses höherer Gewalt abgemildert hat, unabhängig davon, ob dies im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Der Zweck der Klausel über höhere Gewalt besteht darin, die Unfähigkeit zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen abzuschwächen und nicht darin, den Vertrag zu kündigen oder auszusetzen, wenn der Vertrag für die andere Partei belastender wird.
Leistungshindernis
Im Unterschied zu höherer Gewalt muss das Leistungshindernis nicht im Vertrag festgehalten werden, da es sich um ein allgemeines Recht handelt. Die Erfüllung eines Vertrages kann behindert sein, wenn ohne Verschulden einer Partei ein Ereignis eintritt, das die Erfüllung des Vertrages unmöglich macht oder grundlegend ändert. Die Erfüllung eines Vertrages gilt nicht als behindert, wenn die Vertragserfüllung für eine Partei lediglich schwieriger oder teurer wird. In der Praxis wird ein Leistungshindernis nur selten festgestellt, da es schwierig ist, die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung nachzuweisen. In Anbetracht der gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen kann man sich jedoch zunehmend auf das Leistungshindernis als Mittel bei verzögerten oder verwirrenden Angelegenheiten stützen.
Wenn die Erfüllung eines Vertrages unmöglich ist, wird dieser Vertrag gekündigt und die Parteien werden von ihren künftigen Verpflichtungen entbunden. Handelt es sich um einen langfristigen Vertrag, sollten die Folgen einer Kündigung bedacht werden, bevor beansprucht werden kann, dass die Erfüllung des Vertrags unmöglich geworden ist. Wichtig ist, dass die Verhinderung die Parteien nicht von ihren früheren Verpflichtungen entbindet, die angefallen sind.
Ein mögliches Beispiel für ein Leistungshindernis wäre die Schließung eines Standorts als Folge von behördlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19, wodurch ein zeitkritisches Ereignis, das Gegenstand des Vertrags ist, nicht mehr stattfindet. Unter solchen Umständen könnte der Einwand, dass die Parteien den Vertrag nicht erfüllen konnten, angemessen sein.
Fazit
Ob höhere Gewalt vorliegt, hängt vom einzelnen Vertrag und den Umständen ab, in denen sich die Parteien befinden. Es ist wichtig, dass die Vertragsparteien sich rechtlichen Rat zu den spezifischen Bedingungen ihres Vertrags einholen. Wenn eine Partei sich zu Unrecht weigert, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen oder den Vertrag fälschlicherweise kündigt, kann die andere Seite dies ausnutzen und Schadenersatz wegen Vertragsbruch oder unrechtmäßiger Kündigung verlangen.
Anstatt sich auf höhere Gewalt zu berufen, können Unternehmen mit ihrem Vertragspartner Möglichkeiten erörtern, um zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Es ist möglich, dass sich beide Parteien in einer ähnlichen Situation befinden, zum Beispiel dann, wenn der Vertrag die Lieferung von Waren vorsieht und die andere Partei diese Waren nicht mehr benötigt. Die Aufrechterhaltung einer guten Geschäftsbeziehung während der aktuellen Pandemie kann von Vorteil sein, wenn letztendlich eine Form von Normalität zurückkehrt.
Autor: Craig Harrison, Rechtsanwalt
Tollers LLP