Kategorien
Deutsch

Bestimmungen über die aktorische Kaution auf britische Kläger nicht anwendbar

Bestimmungen über die aktorische Kaution auf britische Kläger nicht anwendbar

Wien, 09.06.2022

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union warf zahlreiche Unsicherheiten zur bilateralen Rechtsvollstreckung auf. So musste sich der Östereichische Oberste Gerichtshof vor kurzem mit dem Thema aktorische Kaution beschäftigen (23.03.2022, 4 Ob 30/22y).

Die aktorische Kaution (§57 öZPO) bezweckt, einen inländischen Beklagten davor zu schützen, von einem ausländischen Kläger, der ihn erfolglos in Anspruch genommen hat, keinen Prozesskostenersatz zu erlangen; als Prozesskostensicherheit soll die aktorische Kaution damit insgesamt vor missbräuchlicher oder kostenverursachender Rechtsanmaßung durch ausländische Kläger schützen.

Der Oberste Gerichtshof entschied am 23.03.2022 (Geschäftszahl 4 Ob 30/22y), dass ein britischer Kläger einem österreichischen Beklagten keine aktorische Kaution leisten muss. Der Oberste Gerichtshof begründet die Entscheidung mit der durch die Ratifizierung des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen in Zivil- und Handelssachen (HGÜ) durch das Vereinigte Königreich am 28.09.2021 vereinbarten Vollstreckungspflicht zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich. Aufgrund dieser vertraglichen Vereinbarung sei das Argument der beklagten Partei, die fehlende Vollstreckungspraxis von österreichischen Titeln im Vereinigten Königreich würde signifikante Unsicherheiten für österreichische Vertragspartner aufwerfen, nicht stichhaltig.

Diese Entscheidung ist Teil eines wachsenden Körpers von post-Brexit Rechtsprechungen in der Europäischen Union. Nachdem ein harter Brexit im letzten Moment durch ein Handelsabkommen mit der EU vermieden werden konnte, erklärte Premierminister Boris Johnson, die hinterbliebenen Ein-flüsse der EU auf die Normenhierarchie zugunsten britischer Unternehmen anpassen zu wollen. Somit ist davon auszugehen, dass EU Unternehmen auch in Zukunft vermehrt mit rechtlichen Unsicherheiten konfrontiert sind.

Autor: Mag. Kristina Steflitsch / Mag. Johannes Zink, hba Rechtsanwälte Wien, Österreich

Kategorien
Deutsch

EARN erweitert seine Reichweite

EARN erweitert seine Reichweite

Berlin/Brüssel, 17.11.2021

Das EARN European Accounts Receivables Netzwerk hat mit DEWISPELAERE ADVOCATEN, Belgien einen weiteren erfahrenen Partner in der Mitte Europas gewonnen.

DEWISPELAERE ADVOCATEN ist eine unabhängige Anwaltskanzlei mit Sitz in Brüssel (Strombeek-Bever). Bereits 1975 gegründet ist DEWISPELAERE heute insbesondere auf Unternehmens-, Vertrags- und Finanzrecht auch mit grenzüberschreitenden Aspekten spezialisiert. Darüber hinaus verfügen sie über besondere Expertise im Credit Management und ergänzen damit perfekt das EARN Portfolio um einen sehr erfahrenen Partner in Belgien.

Die aktuellen EARN-Mitglieder können Sie hier einsehen.

Kategorien
Deutsch

EuGH: Insolvenzanfechtung bei grenzüberschreitenden Geschäften

Insolvenzanfechtung: Bundesgerichtshof rudert weiter zurück

Berlin, 28.07.2021

Bekanntermaßen ist es für den Insolvenzverwalter bei in Deutschland durchgeführten Insolvenzverfahren besonders leicht, Gläubiger erfolgreich im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch zu nehmen. Grundlage hierfür ist die ausgesprochen insolvenzverwalterfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der mit einer Vielzahl von Beweiserleichterungen dem Insolvenzverwalter die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen in besonderem Maße den Weg ebnet.

Für ausländische Gläubiger mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat gibt es nun einen Rettungsanker, wie der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22. April 2021 (Aktenzeichen C-73/20 – Oeltrans Befrachtungsgesellschaft) im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung gegenüber einem niederländischen Binnenschiffer entschieden hat. Dieser hatte kurz vor Insolvenz seines Auftraggebers, einer Reederei, noch Zahlungen für durchgeführte Transporte erhalten, auf deren Rückzahlung er durch den Insolvenzverwalter der Reederei in Anspruch genommen wurde. Art. 13 der Verordnung (EG)  Nr. 1346/2000  des Rates vom 29. Mai 2000 (nun wortgleich Art. 16 EuInsVO) eröffnet einem ausländischen Anfechtungsgegner die Verteidigungsmöglichkeit, sich aus Gründen des Vertrauensschutzes auf das Insolvenzanfechtungsrecht seines Heimatlandes zu berufen, wenn dort die Anfechtungsvoraussetzungen strenger sind als dies im Land des anfechtenden Insolvenzverwalters der Fall ist. Besonders gut funktioniert diese Verteidigungsmöglichkeit beispielsweise bei österreichischen Anfechtungsgegnern, weil in Österreich Anfechtungsklagen innerhalb eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben werden müssen. Häufig hat der Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum noch nicht einmal die Anfechtungssachverhalte ermittelt.

Der niederländische Binnenschiffer verteidigte sich nun damit, dass nach niederländischem Recht die angefochtene Zahlung nicht anfechtbar sei. Der Insolvenzverwalter hingegen wandte ein, dass zwar für den durchgeführten Transport niederländisches Recht, für die Zahlung des deutschen Insolvenzschuldners aber deutsches Recht anzuwenden sei. Der EuGH hatte nun auf Vorlage des BGH entschieden, dass das auf den Transportvertrag anzuwendende niederländischem Recht auch für die Zahlung heranzuziehen sei. Dies bedeutet, dass das deutsche Gericht nun darüber befinden muss, ob die angefochtene Zahlung nach niederländischem Recht ebenfalls der Insolvenzanfechtung unterliegt. Die Chancen für den niederländischen Binnenschiffer stehen hier sehr gut.

Die EuGH-Entscheidung eröffnet für Unternehmen mit ausländischen Konzerngesellschaften die Möglichkeit, bei Geschäftspartnern mit unsicherem Zahlungsverhalten künftig die Belieferung oder Leistungserbringung von solchen Konzerngesellschaften durchführen zu lassen, an deren Sitz das Insolvenzanfechtungsrecht für Gläubiger günstiger ist. Wichtig ist in diesem Fall natürlich, die Verträge so auszugestalten, dass für das Vertragsverhältnis tatsächlich die Rechtsordnung der ausländischen Konzerngesellschaft vereinbart wird, die die Leistungen erbringt und die potenziell anfechtbaren Zahlungen erhält. Ferner muss natürlich auch geprüft werden, ob das Insolvenzanfechtungsrecht in dem betreffenden Staat tatsächlich für den Gläubiger günstiger ist. Dies ist aber – wie eingangs ausgeführt – in fast allen Mitgliedstaaten der EU der Fall. Nach § 339 Insolvenzordnung lässt sich dieser Rechtsgedanke vermutlich auch auf andere ausländische Gesellschaften mit Sitz außerhalb der EU anwenden.

Autor: RA Michael Schmidt, PASCHEN Rechtsanwälte

Kategorien
Deutsch

Mehrwertsteuer: Neue EU E-Commerce-Vorschriften vereinheitlichen Mehrwertsteuerregelungen für mehr Verbraucherfreundlichkeit und faireren Wettbewerb

Mehrwertsteuer: Neue EU E-Commerce-Vorschriften vereinheitlichen Mehrwertsteuerregelungen für mehr Verbraucherfreundlichkeit und faireren Wettbewerb

Brüssel, 09.07.2021

Seit dem 1. Juli 2021 wurde die Gestaltung der Mehrwertsteuer für Online-Verkäufe grenzüberschreitend erneuert – sowohl innerhalb der EU, als auch außerhalb der EU. Die neuen Vorschriften betreffen Online-Verkäufer und -Marktplätze/Plattformen, genauso wie Postbetreiber, Kurierdienste, Zoll- und Steuerbehörden und Verbraucher/innen.

Diese wichtigsten Änderungen gelten seit dem 1. Juli 2021:

  • Ende der Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr: Mit Einführung der neuen Mehrwertsteuerbestimmungen unterliegen alle in die EU eingeführten Waren und Dienstleistungen nun der Mehrwertsteuer. 
  • Neue EU-weite Schwellenwerte: Es gilt ein EU-weiter Schwellenwert für den Fernverkauf von 10 000 EUR als Mindestumsatz. Ab diesem Schwellenwert ist die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat zu entrichten, in den die Erzeugnisse geliefert werden.
  • Vereinheitlichung der Mehrwertsteuerregistrierung: Das elektronische Portal One Stop Shop (EU-OSS) verhilft als elektronische Schnittstelle in der gesamten EU bei der Umsetzung von bis zu 95 % der Mehrwertsteuerverpflichtungen. Der One Stop Shop ermöglicht so mit einer unkomplizierten vierteljährlichen Erklärung eine Anmeldung und Abführung von Verkäufen in allen Mitgliedstaaten. Nicht-EU-Verkäufer können sich analog im Import One Stop Shop (IOSS) registrieren und den jeweiligen Mehrwertsteuerbetrag erklären, so dass dieser dem Mitgliedstaat zugeführt wird, in dem die Mehrwertsteuer letztendlich zu entrichten ist.

Die neuen Regeln sollen:

  • sicherstellen, dass die Mehrwertsteuer dort gezahlt wird, wo der Verbrauch von Waren und Dienstleistungen stattfindet;
  • eine einheitliche Mehrwertsteuerregelung für grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen schaffen;
  • einen fairen Wettbewerb zwischen europäischen und ausländischen E-Commerce- Händlern sowie zwischen E-Commerce- und traditionellen Geschäften schaffen;
  • Unternehmen ein einfaches und einheitliches System zur Erklärung und Abführung ihrer Mehrwertsteuerverpflichtungen in der EU über die OSS/IOSS anbieten.

Ähnliche Reformen haben sich bereits in Norwegen, Australien und Neuseeland bewährt.

Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr und zu den Richtlinien (EU) 2017/2455 und (EU) 2019/1995 des Rates und zur Durchführungsverordnung (EU) 2019/2026 des Rates finden Sie hier: https://taxation-customs.ec.europa.eu/vat-e-commerce_de

Kategorien
Deutsch

Französische Studie zur Effizienz europäischer Insolvenzverfahren

Französische Studie zur Effizienz europäischer Insolvenzverfahren

Paris, 22.04.2021

Im Januar 2021 hat der „Conseil National des Administrateurs Judiciaires et des Mandataires Judiciaires de France“ (Nationaler Rat französischer Justizbeamter und Justizvertreter) eine Studie über die Effizienz kollektiver Verfahren in ganz Europa durchgeführt, in der insolvenzrechtlichen Regelungen und die Effizienz von Insolvenzverfahren in Deutschland, Spanien, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Frankreich verglichen wurden.

Was Frankreich betrifft, so zeigt die Studie:

  1. Frankreich ist das einzige Land, in dem zwei Gruppen von Interessenvertretern im Insolvenzverfahren beteiligt sind. Der eine – der Verwalter – vertritt die Interessen des Schuldners, der andere – der sogenannte Agent – die Interessen der Gläubiger. Diese Berufe sind ähnlich wie in Italien reguliert.
  2. Frankreich verzeichnet aktuell 2,6-mal mehr Insolvenzverfahren als Deutschland und das Vereinigte Königreich. Im Jahr 2019 wurden 65 % der Fälle als Regelinsolvenzverfahren mit dem Ziel der Abwicklung geführt, in 25 % der Fälle hatte das Verfahren das Ziel einer Sanierung des Unternehmens mit dem Mitteln des Insolvenzrechts. Die verbleibenden 10 % entfielen bereits auf das gerade eingeführte präventive vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren.
  3. Im französischen Insolvenzrecht liegt der Fokus auf der Sicherung der Beschäftigung und die Erhaltung der Tätigkeit von Unternehmen. Folglich verfolgen auch 39 % der Unternehmen, die sich im Regelinsolvenzverfahren befinden, einen Business Continuity-Plan, der eine endgültige Liquidation vermeidet. Dieser Wert von 39 % ist mit den 8 % in den Niederlanden, 5 % in Spanien und 4,5 % in Deutschland zu vergleichen.
  4. In Frankreich genießen Ansprüche von Arbeitnehmern eine höhere Priorität als in den Vergleichsstaaten. Allerdings sehen auch alle anderen in der Studie untersuchten Länder Garantien für Ansprüche von Arbeitnehmern vor, wie das in Deutschland etablierte Insolvenzausfallgeld, bei dem die Bundesanstalt für Arbeit für bis zu drei Monate Löhne und Gehälter der beschäftigten übernimmt.

Im Jahr 2020 haben Subventionen, die die wirtschaftlichen Folgen der Covid-Krise abfedern sollen, die Zahl der Insolvenzen in Frankreich gegenüber dem Zeitraum davor sogar erheblich verringert.

Autor: Marc Olivier-Martin, ROOM AVOCATS

Kategorien
Deutsch

Luxemburgische Rechtsprechung – COVID-19-Mietbefreiung für Gewerbemieter während den staatlich angeordneten Betriebsschließungen

Luxemburgische Rechtsprechung – COVID-19-Mietbefreiung für Gewerbemieter während den staatlich angeordneten Betriebsschließungen

Luxemburg, 17.03.2021

Das luxemburgische Friedensgericht hat im Januar 2021 interessante Urteile, betreffend die Frage ob Gewerbemieter zur Zahlung von Mietrückständen während den staatlich angeordneten Betriebsschließungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verpflichtet sind, gefällt.

In allen Fällen lagen dem Gericht Klagen auf Zahlung von Mietrückständen vor, die gegen Cafébesitzer und Textilwarenhändler gerichtet waren, die ihre Geschäftslokale während des Corona-Lockdowns für die Öffentlichkeit schließen mussten.

Die beklagten Gewerbemieter ersuchten vor Gericht eine Mietbefreiung oder hilfsweise eine Mietminderung mit der Begründung, dass sie durch die staatlich angeordneten Betriebsschließungen das Mietobjekt nicht nutzten durften. Sie seien deshalb nicht mehr zur Zahlung der Miete verpflichtet, da der Vermieter seine wesentliche Vertragspflicht – dem Mieter eine ungestörte Nutzung des Mietobjekts zu garantieren – nicht erfüllen konnte.

Das Friedensgericht gab den Anträgen der Beklagten statt und gewährte ihnen für den Zeitraum der staatlich angeordneten Betriebsschließungen eine vollständige Befreiung der Zahlpflicht der Mietrückstände.

Das Gericht basierte sich hierfür auf Artikel 1722 des luxemburgischen Bürgerlichen Gesetzbuches.

Dieser Artikel stellt eine Anwendung des Rechtskonzepts der sogenannten „Risikotheorie“ dar, einer Theorie die bei synallagmatischen Verträgen (Verträgen mit gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien) vorsieht, dass wenn aufgrund eines Falles von höherer Gewalt die Vertragspflicht einer Partei wegfällt, die entsprechende Verpflichtung der anderen Partei gleichermaßen wegfällt. Diese Umstände berechtigen eine Neuverhandlung des Vertrags.

Laut Artikel 1722 wird ein Mietvertrag von Rechts wegen beendet, wenn das Mietobjekt während der Laufzeit des Mietvertrags durch höhere Gewalt ganz zerstört wird. Wird das Mietobjekt nur teilweise zerstört, kann der Mieter je nach Umständen entweder eine Mietminderung oder die Beendigung des Mietvertrags verlangen.

Das Friedensgericht hat festgestellt, dass Artikel 1722, welcher sich in erster Linie auf den materiellen Verlust der Mietsache bezieht, auch im Falle eines rechtlichen Verlusts des Mietobjekts angewendet werden kann.

In den vorliegenden Fällen ist der rechtliche Verlust des Mietobjekts bedingt durch die staatlich angeordneten Betriebsschließungen, die ein vorübergehendes unvorhersehbares Ereignis darstellen.

Die angeordnete Schließung der Geschäftslokale machte es den Vermietern unmöglich, den Gewerbemietern die Nutzung des Mietobjekts zu garantieren und deshalb ist die Mietzahlungspflicht der Mieter vorrübergehend ausgesetzt.

Das Friedensgericht hat aber darauf hingewiesen, dass ein Gewerbemieter nur von seiner Mietzahlungspflicht befreit ist, wenn er durch das unvorhersehbare Ereignis das Mietobjekt nicht zweckentsprechend nutzen konnte.

Die Risikotheorie des Artikels 1722 findet daher keine Anwendung, wenn das unvorhersehbare Ereignis nur den Umsatz des Gewerbemieters vermindert.

Es ist abzuwarten ob diese rezenten Urteile des Friedensgerichts im Rahmen eines Berufungsverfahrens gekippt werden oder ob sie eine dauerhafte Anerkennung in der luxemburgischen Rechtsprechung erlangen.

Autorin: Anne-Marie Schmit, Rechtsanwältin

ETUDE ANNE-MARIE SCHMIT

Kategorien
Deutsch

Mietminderung für niederländische Gewerbemieter in Zeiten von Corona

Mietminderung für niederländische Gewerbemieter in Zeiten von Corona

Enschede, 19.02.2021

Bereits im ersten Lockdown mussten auch in den Niederlanden unter anderem Hotels, Geschäfte und Gastronomiebetriebe für mehrere Monate ihre Türen aufgrund staatlicher Maßnahmen schließen. Jetzt, im Februar 2021, befindet sich das Land mitten im zweiten Lockdown.

Aufgrund der rückläufigen Umsätze ist es für Gewerbemieter oft unmöglich, die (volle) Miete weiter zu zahlen. In den Niederlanden kam es daher zu zahlreichen Verfahren, bei denen im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes über die Frage zu entscheiden war, ob der Mieter seine monatliche Miete reduzieren kann. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 gingen diese Verfahren überwiegend zum Nachteil der Mieter aus. Dies hat sich inzwischen geändert, in der zweiten Jahreshälfte 2020 und Anfang 2021 haben Mieter in mehreren Verfahren eine vorübergehende Mietminderung von 25-50% zugesprochen bekommen.

Die rechtliche Begründung war dabei unterschiedlich. In der Mehrzahl der Verfahren haben die Richter entschieden, dass staatliche Maßnahmen, die die Nutzung eines Geschäftslokals einschränken, einen Mangel der Mietsache darstellen.

Ähnlich wie in Deutschland gibt es aber auch in den Niederlanden die Diskussion darüber, ob es sich nicht vielmehr um eine Frage der Änderung der Geschäftsgrundlage handelt. Zahlreiche betroffen Mieter beriefen sich daher auf §6:258 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches sieht vor, dass, wenn aufgrund eines unvorhergesehenen Umstandes die unveränderte Aufrechterhaltung eines (Miet-) Vertrages nicht zu erwarten ist, der Vertrag angepasst werden kann. Die Frage ist, ob im Fall der Corona-Krise ein „unvorhergesehener Umstand“ vorliegt. Einige Gerichte sind der Meinung, dass die Corona-Krise und die darauf folgenden staatlichen Maßnahmen einen solchen unvorhergesehenen Umstand darstellen, da die Parteien beim Abschluss des Mietvertrages nicht an eine Pandemie mit weitreichenden Folgen gedacht haben. Im Januar 2021 wurde mit dieser Begründung in einem regulären Zivilverfahren dem klagenden Mieter eine Minderung zugesprochen. Es scheint sich hier ein neuer Trend in der Rechtsprechung abzuzeichnen., so dass Vermieter sich häufiger damit auseinandersetzen werden müssen.

Autorin: Irith Hoffmann, I.K.M., Rechtsanwältin

Damsté advocaten – notarissen

Kategorien
Deutsch

EU-Restrukturierungsrichtlinie jetzt auch in Deutschland umgesetzt

EU-Restrukturierungsrichtlinie jetzt auch in Deutschland umgesetzt

Berlin, 28.01.2021

Bereits in 2016 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU“ oder kurz: „EU- Restrukturierungsrichtlinie“ vorgelegt, der helfen sollte, endgültig die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 zu bewältigen. Nach intensiver Diskussion in den europäischen Gremien ist die Richtlinie im Juli 2019 in Kraft getreten.

Mit ihrer zuletzt vor dem Hintergrund der Corona- Pandemie rekordverdächtig beschleunigten Umsetzung in nationales Recht – zwischen dem ersten Entwurf des Justizministeriums vom 18. September 2020 und dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2021 lagen nicht einmal 4 Monate – wurde nun auch in Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren implementiert.

Die detaillierten Regelungen hierzu finden sich im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), welches als Artikel 1 den umfangreichsten Teil des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) ausmacht.

Die inhaltliche Ausgestaltung des Sanierungsverfahrens im StaRUG lehnt sich stark an die deutschen Regelungen zum Insolvenzplanverfahren an. Auch hier ist ein (Restrukturierungs-) Plan zu erstellen, dessen inhaltliche Ausgestaltung den §§ 5 ff. StaRUG folgen muss. Einige Rechtsverhältnisse sind der Gestaltung im Rahmen eines solchen Plans allerdings nicht zugänglich. Wichtigstes Beispiel: Forderungen von Arbeitnehmern (§ 4 StaRUG). Fallengelassen wurde auch die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, sich im Rahmen des Sanierungsverfahrens bestehender vertraglicher Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen in der Zukunft, insbesondere auch solcher aus Dauerschuldverhältnissen entledigen zu können.

Wie im Insolvenzplanverfahren werden auch im Restrukturierungsplan die Gläubiger in Gruppen eingeteilt, § 9 StaRUG, in denen dann auch jeweils gesondert abgestimmt wird. Anders als dort kann sich der Restrukturierungplan aber auf die für das Gelingen der Sanierung wichtigen Gläubiger beschränken, § 8 Ziff. 2 StaRUG. Angenommen ist der Plan, wenn ihm in den jeweiligen Gruppen mit drei Vierteln der Stimmrechte zugestimmt wird, § 25 StaRUG. Wie im Insolvenzplanverfahren können jedoch auch hier den Plan ablehnende Gruppen überstimmt werden, wenn dieser am Ende eine den Voraussetzungen des § 26 StaRUG entsprechende gruppenübergreifende Mehrheit erreicht (sog. Cramdown).

Führt der Schuldner das Verfahren ohne richterliche Hilfe durch, kann er den Plan den hiervon betroffenen Gläubigern zunächst in Textform zugänglich machen (ausreichend also auch per E-Mail) und diesen eine Annahmefrist von mindestens 14 Tagen setzen. Wenn den Betroffenen nicht zuvor Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans gegeben wurde, muss dabei der Hinweis enthalten sein, dass auf Antrag eines Gläubigers ein Erörterungstermin abgehalten wird, § 17 Abs. 3 StaRUG. Nach § 20 StaRUG kann der Schuldner aber auch von vornherein eine Abstimmung im Rahmen einer Versammlung der Planbetroffenen vorsehen.

Muss der Schuldner damit rechnen, dass einzelne Planbetroffene nicht mitmachen werden, wird er schon aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig von der Möglichkeit nach § 23 StaRUG Gebrauch machen, über den Plan in einem gerichtlichen Verfahren abstimmen zu lassen.

Der Einleitung eines solchen Verfahrens bedarf es auch dann, wenn der Schuldner andere „Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens“ (§ 29 StaRUG) in Anspruch nehmen will. Dies wird regelmäßig insbesondere dann der Fall sein, wenn beabsichtigt ist, mittels des Erlasses einer Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG eine Vollstreckungs- und/oder Verwertungssperre zu erlangen.

Für betroffene Gläubiger bedeutet dies, dass sie bestehende Forderungen einstweilen nicht mehr durchsetzen können und dass ihnen sogar die Durchsetzung wichtiger Sicherungsrechte vorläufig verboten werden kann, was namentlich vor allem den einfachen und verlängerten Eigentumsvorbehalt betrifft. Gemäß § 55 StaRUG ist dem Gläubiger, wenn der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens auf seine Leistung angewiesen ist, in diesem Fall sowohl eine Leistungsverweigerung als auch eine Kündigung oder Vertragsänderung unter Berufung auf den Zahlungsverzug des Schuldners verwehrt. Vorleistungspflichtigen Gläubigern wird in diesen Fällen aber zumindest durch § 55 Abs. 3 StaRUG in gewissem Umfange Schutz gewährt. Sie dürfen Sicherheiten verlangen oder darauf bestehen, die Leistung nur Zug um Zug zu erbringen. Darlehen und andere Kreditzusagen, die noch nicht zur Auszahlung gelangt sind, dürfen unter Berufung auf eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gekündigt werden.

Wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, kann der Schuldner das Verfahren grundsätzlich in Eigenregie betreiben. Allerdings kann – und dies wird schon wegen der Kompliziertheit des Verfahrens wohl zukünftig den Regelfall darstellen – auf Antrag des Schuldners durch das Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden: in einer Vielzahl von Konstellationen, die in § 73 StaRUG aufgezählt sind, muss diese Bestellung durch das Gericht sogar von Amts wegen erfolgen. Die Bestellung kann schließlich auch auf Antrag von Gläubigern erfolgen, wenn diese in einer Gruppe mehr als 25 % der Stimmrechte halten und sich zur Übernahme der Kosten verpflichten.

Die Aufgaben eines zwingend einzusetzenden Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 StaRUG ähneln denen des Sachwalters in der Insolvenz in Eigenverwaltung. Der fakultativ eingesetzte Restrukturierungsbeauftragte hat hingegen lediglich die Aufgabe die Beteiligten bei der Ausarbeitung von Sanierungskonzept und -plan zu unterstützen, § 79 StaRUG. Auch die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten ist im StaRUG geregelt. Danach erhält er ein Honorar nach Zeitaufwand, welches im Regelfall € 350/h beträgt und kann die Zuarbeit qualifizierter Mitarbeiter mit bis zu € 200/h abrechnen, § 81 StaRUG.

Für Verfahren mit besonderer Bedeutung sieht § 93 StaRUG vor, dass das Gericht in Anlehnung an die Regelungen im Insolvenzrecht einen Gläubigerbeirat einrichten kann.

In den §§ 94 ff. StaRUG finden sich schließlich noch Regelungen zur sogenannten Sanierungsmoderation. Diese bietet sich an, wenn für eine einvernehmliche Lösung mit sämtlichen von der Sanierung betroffenen Gläubigern gute Chancen bestehen. Hierbei wird vom Gericht ein Sanierungsmoderator bestellt, der zwischen den Beteiligten vermittelt. Der Konzeption nach endet das Verfahren entweder mit dem Abschluss eines Sanierungsvergleichs, der auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt wird – § 97 StaRUG – oder es erfolgt gemäß § 100 StaRUG ein Übergang in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und damit in ein Restrukturierungsverfahren unter gerichtlicher Leitung.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Gläubiger ähnlich massiv durch ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren betroffen sein können, wie im Falle einer Insolvenz ihres Vertragspartners. Auch wenn sie die Sanierungsbemühungen unterstützen wollen, sollten Sie unbedingt im Auge behalten, dass sich bei Scheitern der Sanierung ein Insolvenzverfahren anschließen kann, so dass in jedem Falle auch die Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung im Auge behalten werden muss. §§ 89 und 90 StaRUG gewähren nur sehr eingeschränkten Schutz vor der Anfechtung von Rechtshandlungen im Verlaufe des Sanierungsverfahrens und im Rahmen der Erfüllung des Restrukturierungsplans. Bei Geschäften mit dem Schuldner während eines laufenden Sanierungsverfahrens ist daher die Sicherstellung der Einhaltung der Voraussetzungen von Bargeschäften im Sinne des § 142 InsO unbedingtes Gebot. Oftmals wird es hierfür des Instrumentariums aus § 55 StaRUG bedürfen. Der Anfechtungsschutz betreffend Rechtshandlungen im Rahmen der Planerfüllung setzt einen gerichtlich festgestellten Plan voraus.

Die Tücke liegt bei diesen Fragen oft im Detail. So kann beispielsweise die Verweigerung weiterer Leistungserbringung unter Berufung auf § 55 Abs. 2 StaRUG mit erheblichen Schadenersatzforderungen des Schuldners einhergehen, wenn es dem Gläubiger nicht gelingt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift zu beweisen. Beim Umgang mit Schuldnern, die ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren betreiben, sollte daher auf keinen Fall am falschen Ende gespart, sondern unbedingt auf die Beiziehung juristischen Sachverstands geachtet werden.

Autor: RA Lutz Paschen, PASCHEN Rechtsanwälte

Kategorien
Deutsch

Verträge nach englischem Recht und COVID-19

Verträge nach englischem Recht und COVID-19

Northampton, 01.06.2020

Unternehmen müssen sich zu gegebener Zeit überlegen, ob sie selbst oder ihr Vertragspartner einen Geschäftsvertrag als Folge der durch COVID-19 verursachten Unterbrechung aussetzen oder kündigen können.

Von der Regierung ergriffene Restriktionsmaßnahmen, unruhige Märkte und Arbeitsfragen stellen weiterhin Hindernisse für die Geschäftstätigkeit dar, die in einigen Fällen die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen unmöglich machen. Bei Vereinbarungen zwischen internationalen Parteien, die dem englischen Recht unterliegen, ist die Entscheidung, ob eine Vereinbarung ausgesetzt oder gekündigt werden kann, nicht immer leicht, da es keine allgemeingültigen Erleichterungen oder Vergünstigungen von COVID-19 gibt. Jeder Fall hängt von den spezifischen Bedingungen des Vertrages und den genauen Umständen ab, in denen sich die Vertragsparteien befinden.

Hier sind einige der Schlüsselfragen, die Parteien von Verträgen, die dem englischen Recht unterliegen, beachten sollten:

1.   Höhere Gewalt – Enthält der Vertrag eine Bestimmung über höhere Gewalt, die sich mit den besonderen Umständen befasst?

2.   Milderung – Hat die betroffene Vertragspartei ihren Verlust abschwächen können?

3.   Leistungshindernis – Hat es eine Störung der Vertragsgrundlage gegeben?

Was ist Höhere Gewalt?

Eine Klausel über höhere Gewalt (falls im Vertrag enthalten) legt im Allgemeinen die Rechte und Rechtsmittel einer oder beider Parteien für den Fall fest, dass ein extremes Ereignis eintritt, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt.

Ein Vertrag muss ausdrücklich höhere Gewalt vorsehen, da es in England keine allgemeine Gesetzesgrundlage für höhere Gewalt gibt.

Da jeder Vertrag  anders formuliert ist, ist es wichtig, den genauen Wortlaut fallweise zu prüfen.  Je nach Wortlaut der Klausel kann sich eine Partei auf diese berufen, um eine Verzögerung, Aussetzung oder sogar Beendigung des Vertrages ohne jegliche Haftung zu rechtfertigen.

Stellt COVID-19 ein Ereignis höherer Gewalt dar?

Ob COVID-19 ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, hängt von der Definition des Begriffs „höhere Gewalt“ im Vertrag sowie von den genauen Umständen ab.

Eine Formulierung, die „Pandemie“ oder „Gesundheitskrise“ beinhaltet, kann die Einstufung von COVID-19 als Ereignis höherer Gewalt unterstützen.  Alle von der Regierung auferlegten verbindlichen Einschränkungen können als Ereignis höherer Gewalt gesehen werden, sofern die Definition Formulierungen wie „behördliche Maßnahmen“ und „Regulierungsmaßnahmen“ enthält.  Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass der Verweis auf einen „Act of God“ COVID-19 einschließt, da dieser sich gewöhnlich auf Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben bezieht.

Sofern im Vertrag nicht ausdrücklich anders angegeben, gilt höhere Gewalt im Allgemeinen nicht, wenn das Ereignis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses andauerte oder von den Parteien in Erwägung gezogen wurde.  Der Zeitpunkt, an dem COVID-19 „in der Erwägung der Parteien“ war, ist Interpretationssache.

Es obliegt der Partei, die die Klausel über höhere Gewalt durchsetzen will, nachzuweisen, dass das Ereignis höherer Gewalt in dem Maße eingetreten ist, wie die Leistung erheblich verzögert oder verändert wird.

Milderung

Wurde ein Ereignis höherer Gewalt festgestellt, muss die benachteiligte Vertragspartei weiterhin nachweisen, dass sie die Auswirkungen des Ereignisses höherer Gewalt abgemildert hat, unabhängig davon, ob dies im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist.  Der Zweck der Klausel über höhere Gewalt besteht darin, die Unfähigkeit zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen abzuschwächen und nicht darin, den Vertrag zu kündigen oder auszusetzen, wenn der Vertrag für die andere Partei belastender wird.

Leistungshindernis

Im Unterschied zu höherer Gewalt muss das Leistungshindernis nicht im Vertrag festgehalten werden, da es sich um ein allgemeines Recht handelt.  Die Erfüllung eines Vertrages kann behindert sein, wenn ohne Verschulden einer Partei ein Ereignis eintritt, das die Erfüllung des Vertrages unmöglich macht oder grundlegend ändert.  Die Erfüllung eines Vertrages gilt nicht als behindert, wenn die Vertragserfüllung für eine Partei lediglich schwieriger oder teurer wird. In der Praxis wird ein Leistungshindernis nur selten festgestellt, da es schwierig ist, die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung nachzuweisen. In Anbetracht der gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen kann man sich jedoch zunehmend auf das Leistungshindernis als Mittel bei verzögerten oder verwirrenden Angelegenheiten stützen.

Wenn die Erfüllung eines Vertrages unmöglich ist, wird dieser Vertrag gekündigt und die Parteien werden von ihren künftigen Verpflichtungen entbunden. Handelt es sich um einen langfristigen Vertrag, sollten die Folgen einer Kündigung bedacht werden, bevor beansprucht werden kann, dass die Erfüllung des Vertrags unmöglich geworden ist. Wichtig ist, dass die Verhinderung die Parteien nicht von ihren früheren Verpflichtungen entbindet, die angefallen sind.

Ein mögliches Beispiel für ein Leistungshindernis wäre die Schließung eines Standorts als Folge von behördlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19, wodurch ein zeitkritisches Ereignis, das Gegenstand des Vertrags ist, nicht mehr stattfindet.  Unter solchen Umständen könnte der Einwand, dass die Parteien den Vertrag nicht erfüllen konnten, angemessen sein.

Fazit

Ob höhere Gewalt vorliegt, hängt vom einzelnen Vertrag und den Umständen ab, in denen sich die Parteien befinden.  Es ist wichtig, dass die Vertragsparteien sich rechtlichen Rat zu den spezifischen Bedingungen ihres Vertrags einholen.  Wenn eine Partei sich zu Unrecht weigert, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen oder den Vertrag fälschlicherweise kündigt, kann die andere Seite dies ausnutzen und Schadenersatz wegen Vertragsbruch oder unrechtmäßiger Kündigung verlangen.

Anstatt sich auf höhere Gewalt zu berufen, können Unternehmen mit ihrem Vertragspartner Möglichkeiten erörtern, um zu einer gütlichen Einigung zu gelangen.  Es ist möglich, dass sich beide Parteien in einer ähnlichen Situation befinden, zum Beispiel dann, wenn der Vertrag die Lieferung von Waren vorsieht und die andere Partei diese Waren nicht mehr benötigt. Die Aufrechterhaltung einer guten Geschäftsbeziehung während der aktuellen Pandemie kann von Vorteil sein, wenn letztendlich eine Form von Normalität zurückkehrt.

Autor: Craig Harrison, Rechtsanwalt

Tollers LLP

Kategorien
Deutsch

Mögliche Aussetzung der gewerblichen Mieten während der Krise

Mögliche Aussetzung der gewerblichen Mieten während der Krise

Luxemburg, 01.06.2020

Die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 zwangen viele luxemburgische Unternehmen dazu, ihre Geschäftstätigkeiten entweder zu reduzieren oder ganz einzustellen.

Da diese Unternehmen nun mit ernsthaften Liquiditätsproblemen konfrontiert sind, gibt es immer mehr Stimmen, die eine Aussetzung der vertraglichen Verpflichtungen bei gewerblichen und beruflichen Mietverträgen fordern.

Es steht Vermietern weiterhin frei, den Mietvertrag wegen Nichtzahlung der Miete zu kündigen (Art. 1762-11, luxemburgisches Bürgerliches Gesetzbuch). Räumungen werden jedoch bis zum Ende des Krisenzustands ausgesetzt (Art. 5 Abs. 1, geänderte großherzogliche Verordnung vom 25. März 2020).

So wurde der Abgeordnetenkammer am 6. April 2020 der Gesetzentwurf Nr. 7551 über die Aussetzung der Miete für gewerbliche und berufliche Mietverhältnisse während der Krise und zur Änderung des Gesetzes vom 4. Dezember 1967 über die Einkommensteuer vorgelegt.

Die Kernpunkte dieses noch nicht verabschiedeten Gesetzes sind:

  • Die Aussetzung der Verpflichtung zur Mietzahlung und die Aussetzung des Rechts des Vermieters, einen Mietvertrag wegen Nichtzahlung der Miete während der Krise zu kündigen;
  • die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung von Mietrückständen bis zum 30. Juni 2021;
  • Ein steuerlicher Anreiz, der es dem Vermieter, der die Miete während der Krise reduziert oder auf sie verzichtet, erlaubt, die finanziellen Zugeständnisse, die den Ausgaben angepasst werden, steuerlich abzuziehen (der Betrag ist auf 10.000 EUR begrenzt).

Zudem gibt es eine am 8. Mai 2020 lancierte öffentliche Petition Nr. 1581 mit bereits über 580 Unterschriften, die sich für eine Anpassung der Gewerbemieten je nach Umsatz im Falle außergewöhnlicher Ereignisse wie der COVID-19-Krise und die Möglichkeit für den Vermieter einsetzt, von der Regierung eine Entschädigung für die entgangene Miete zu fordern.

Nach unserer Sicht ist die Mietzahlungspflicht des Mieters bereits ausgesetzt.

Art. 1719 3° des luxemburgischen Bürgerlichen Gesetzbuches sieht vor, dass der Vermieter dem Mieter den ungestörten Besitz der gemieteten Räumlichkeiten während der Dauer des Mietvertrages zu gewährleisten hat.

Der Mieter könnte sich auf die Ausnahme der Nichterfüllung auf der Grundlage von Artikel 1134-2 des luxemburgischen Zivilgesetzbuches berufen, welcher vorsieht, dass jede Partei die Erfüllung ihrer Verpflichtung aussetzen kann, wenn die andere Partei ihre eigene Verpflichtung nicht erfüllt hat.

Der Vermieter könnte jedoch sein Versäumnis, dem Mieter den uneingeschränkten Genuss der gemieteten Räumlichkeiten zu sichern, damit rechtfertigen, dass ein Regierungshandeln während der COVID-19-Krise höhere Gewalt darstellt (eine äußere Ursache, die nicht den Parteien des Mietvertrags zugerechnet werden kann) und dass er darum von seiner vertraglichen Verpflichtung befreit ist (Art. 1147 und 1148 des luxemburgischen Zivilgesetzbuches).

Nach luxemburgischer Rechtsprechung wird bei vorübergehenden unvorhergesehenen Ereignissen die Verpflichtung des Schuldners nur bis zum Ende des Hindernisses ausgesetzt.

Das Vorgehen der Regierung während des Krisenzustands könnte als vorübergehendes unvorhergesehenes Ereignis eingestuft werden.

Somit endet die Aussetzung der Mietzahlungspflicht des Mieters, sobald sein Unternehmen die Tätigkeit wieder aufnehmen kann.

Autorin: Anne-Marie Schmit, Rechtsanwältin

ETUDE ANNE-MARIE SCHMIT